"Ich fahre schwarz" - Ehrlich währt am längsten, aber führt dies auch zur Straffreiheit?

 

Am 11. November 2011 stieg ein junger Mann ohne Bahnticket in den ICE von Köln nach Frankfurt. Statt eine Fahrkarte zu lösen, trug er eine Mütze auf welcher ein Zettel offenbarte: "Ich fahre Schwarz". Natürlich wurde der Mann auf der Strecke von Kontrolleuren der Bahn entdeckt, welche sich durch den Zettel nicht davon abbringen ließen Strafanzeige wegen Erschleichens von Leistungen zu erstatten.

 

Das Amtsgericht Siegburg  hat ihn daraufhin zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Euro verurteilte. Der Mann hat jedoch Berufung eingelegt, so dass sich nunmehr das Landgericht Bonn mit der Thematik auseinandersetzen muss. Die entscheidende Frage lautet: "Erschleicht" sich jemand eine Leistung, auch wenn er offen bekannt gibt, dass er keine Gegenleistung erbringen wird?

 

Die Idee des jungen Mannes, strafrechtliche Konsequenzen durch Offenbarung des Schwarzfahrend zu umgehen, ist nicht neu. Bereits vor über 40 Jahren beschäftigten sich deutsche Gerichte mit dieser Thematik. Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte 1969 fest, dass keine Erschleichung vorliege, wenn der Fahrgast den Mitarbeitern beim Betreten des Verkehrsmittels offen und ausdrücklich bekannt gibt, dass er schwarz fährt (Beschl. v. 21.02.1969, Az. RReg 3a St 16/69). Damals ging es jedoch um offen ausgetragene Protestaktionen gegen Fahrpreiserhöhungen, bei denen die Beteiligten ihre fehlende Zahlungsbereitschaft unmissverständlich demonstrierten. Dieser Fall ist mithin nicht unmittelbar für einen Vergleich geeignet.

 

Denn die Rechtsprechung verlangt für die Erfüllung des Tatbestandes des Erschleichend von Leistungen keine "Heimlichkeit". Es reicht vielmehr aus, wenn sich die Person mit dem "Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt". Dies soll bereits dann gegeben sein, wenn ein unauffälliges und unbefangenes Auftreten vorliegt. Sicherungen oder Kontrollen umgehen muss man nicht.

 

Doch wann umgibt man sich mit dem „Anschein der Ordnungsmäßigkeit“? - Darüber ist sich die Rechtsprechung nicht einig. Das OLG Naumburg geht davon aus, dass für einen objektiven Beobachter der Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags erregt werden muss, um den Tatbestand zu erfüllen (Beschl. v. 06.04.2009, Az. 2 Ss 313/07). Einen solchen Anschein kann aber ein Zettel mit der Aufschrift "Ich fahre schwarz" zerrütten. Eben mit dieser Begründung wurde im Jahr 2013 bei einem ähnlichen Sachverhalt wie im Siegburger Mützen-Fall ein Beschuldigter vom AG Eschwege freigesprochen (Urt. v. 21.11.2013, Az. 71 Cs - 9621 Js 14035/13).

 

Anders entschied jedoch das KG Berlin 2011 (KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2011, Az. (4) 1 Ss 32/11 (19/122)). Ein Zettel an der Kleidung reicht nach Ansicht der Berliner Richter nicht aus, um den Anschein der Ordnungsmäßigkeit zu erschüttern. Begründet wurde dies damit, dass ein solches Schild im Einzelfall übersehen werden könnte. Andererseits könnte man einen solchen Zettel aber auch als bloße Provokation gegen die Verkehrsbetriebe deuten, wodurch der Anschein der Ordnungsmäßigkeit bestehen bleiben würde.

 

Zuvor hat das Landgericht Hannover (Urt. v. 12.08.2008, Az. 62 c 30/08) ein T-Shirt mit der Aufschrift "Rechtlicher Hinweis: Ich habe den Fahrpreis nicht bezahlt und bin deshalb Schwarzfahrer" als nicht ausreichend erachtet. Die Kammer war der Ansicht, dass es nicht auf den Anschein der Ordnungsmäßigkeit gegenüber den Mitfahrern ankomme, sondern gegenüber den vom Beförderungsunternehmen eingesetzten Personen. Vor Fahrtantritt hätte somit dem Zugführer oder anderen Kontrolleuren das T-Shirt gezeigt werden müssen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Angestellten der Bahn daraufhin die Beförderung des Fahrgastes verweigert hätten. Auch wenn das nicht ganz unumstritten ist, beseitigt ein Zettel mit "Ich fahre schwarz" nach herrschender Rechtsprechung also die Strafbarkeit wegen Erschleichens von Leistungen nicht.  Es ist kaum davon auszugehen, dass das Landgericht Bonn vorliegend anders entscheiden wird.

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